Grenzertragsflächen im Fokus
Ökologische hohe Bedeutung
Grenzertragsflächen sind Lebensräume, wo viele gefährdete Arten vorkommen. Denn deren landwirtschaftliche Nutzung ist nur mit hohem Aufwand möglich, bringt aber nur eine geringe Produktivität. Aufgrund ihrer schwierigen Standortbedingungen wurden und werden Grenzertragsflächen selten intensiv genutzt und weisen daher häufig eine (noch) hohe ökologische Qualität auf. Im Ackerbau spielen sie ebenfalls kaum eine Rolle. Grund dafür ist vor allem der Kostendruck in der Landwirtschaft oder der Politik. Aber es fehlt auch an geeigneten Maschinen, an geeigneten Weidetieren und an Helfer:innen. Für extensive Nutzungsformen – insbesondere für die Beweidung – sowie für ökologische Zielsetzungen und für Pro Natura sind Grenzertragsflächen jedoch von erheblichem Wert.
Grenzertragsflächen sind durch ihre spezielle Lage oft nährstoffarm und bieten Lebensräume für spezialisierte und teilweise seltene Pflanzenarten. Sie sind oft Zeugen vergangener Zeiten und bieten letzte Zufluchtsorte für seltene Pflanzen von Magerwiesen, einheimische Rosen und Weiden mit Einzelbäumen und offenem Boden für Wildbienen.
Nutzungskonflikte und Pflegeaufwand von Grenzertragsflächen
Hauptprobleme von Grenzertragsflächen sind die zunehmende Verbrachung, Verbuschung und die Ausbreitung invasiver Neophyten. Ursache ist häufig die fehlende Nutzung oder eine unzureichende oder nicht fachgerechte Pflege.
Besonders problematisch ist das Mulchen mit liegen gelassenem Schnittgut: Es beeinträchtigt lichtliebende Pflanzenarten und kann die Entwicklung artenreicher Vegetation verhindern. Gleichzeitig birgt das Mulchgerät eine direkte Gefahr für beispielsweise Reptilien, Insekten und Schmetterlinge.
Bedeutung der Beweidung
Die extensive Beweidung mit Ziegen, Schafen oder robusten Rinderrassen hat sich als geeignete Massnahme zur Pflege artenreicher Grenzertragsflächen erwiesen. Die Beweidung ist an die Standortbedingungen anpassbar, flächenschonend und fördert eine heterogene Vegetationsstruktur.
Heute werden in der Schweiz rund 1,5 Millionen Rinder, 1,3 Millionen Schweine, 355 000 Schafe und rund 80 000 Ziegen als Nutztiere gehalten. Noch in den Jahren um 1950 waren die Ziegenbestände um rund 60 % und die Schafbestände um gar 70 % höher, und viele Landwirtschaftsbetriebe oder Selbstversorger:innen konnten mit den geländegängigen Kleinwiederkäuern die steilen und mageren Grenzertragsflächen nutzen.
In den letzten zehn Jahren konnte erfreulicherweise eine Gegenbewegung in der Ziegenhaltung festgestellt werden, und insbesondere in den Bergregionen weiden wieder mehr Geissen auf Grenzertragsflächen. Die Schafhaltung scheint sich aktuell noch nicht zu erholen.
Die Verfügbarkeit geeigneter Weidetiere ist in der Region immer noch klein. Die Co-Leitung der Aktion «Hase & Co. BL/SO» sucht deshalb weitere engagierte Tierhalter:innen für eine Zusammenarbeit auf Grenzertragsflächen. Eine Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass es sinnvoll sein könnte, einen «Pflegebetrieb» aufzubauen, welcher sich um den Unterhalt von Grenzertragsflächen kümmert.
Extensive Beweidung stellt eine mögliche, standortangepasste Lösung dar, um diese Flächen langfristig offen und artenreich zu erhalten. Für eine nachhaltige Sicherung sind jedoch koordinierte Pflegekonzepte, interinstitutionelle Zusammenarbeit und lokale Verantwortungsträger erforderlich.
Inventar ökologisch wertvoller Böschungen im Kanton Solothurn
Ein besonderer Typ von Grenzertragsflächen sind Böschungen. Diese sind entlang von Strassen- oder Zuginfrastruktur, Waldrändern oder innerhalb landwirtschaftlich genutzter Gebiete zu finden. Im Rahmen der Aktion «Hase & Co. BL/SO» wurden in den vergangenen Jahren im Kanton Solothurn über 650 Böschungen erfasst und inventarisiert.
Die Ergebnisse bestätigen die hohe ökologische Bedeutung von Böschungen im Kulturland: Rund die Hälfte der dokumentierten Flächen wurde als ökologisch potenziell interessante Böschung definiert. Besonders wertvolle Vorkommen finden sich im Lützeltal, entlang der Passwangstrasse sowie in den Bezirken Thal, Dorneck und Thierstein. Auch in siedlungsnahen Gebieten wie in Dornach konnten artenreiche Böschungen dokumentiert werden. Das Böschungsinventar ist auf der Website von Pro Natura Solothurn verfügbar.
Verkehrssicherheit und Pflegevorgaben
Neben dem ökologischen Aspekt erfüllen Böschungen insbesondere entlang von Strassen auch eine sicherheitsrelevante Bedeutung. Eine «gepflegte» Böschung verbessert die Sichtverhältnisse, vermindert die Erosion und trägt zur Hangstabilisierung bei.
Was genau eine «gepflegte» Böschung ausmacht, wird je nach Vorstellung und Auftrag unterschiedlich definiert und löst in Fachkreisen viele Diskussionen aus. Betrachtet mit dem ökologischen Ansatz, ist die optimale Pflege mindestens jährlich eine (späte) Mahd mit Entfernung des Schnittguts. Dies ist jedoch logistisch und finanziell nicht überall umsetzbar.
Grosse Institutionen wie der Kanton, die SBB oder das ASTRA unterhalten unter
Kosten- und Zeitdruck viele Kilometer Böschungen. Pro Natura versucht mit diesen Partnerinnen eine enge Zusammenarbeit zu fördern, um diese wertvollen Lebensräume bestmöglich zu schützen. Denn unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass mit geeigneten Maschinen oder Weidetieren eine Lösung geschaffen werden kann, die einen effizienten und ökologisch wertvollen Unterhalt ermöglicht.
Mit diesem Engagement setzt sich Pro Natura ein für eine extensive Nutzung von Grenzertragsflächen und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung dieser wertvollen Lebensräume.
Meret Halter und Dominik Hügli,
Co-Projektleitung Hase & Co. BL/SO
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Dominik Hügli
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