Artenreiche Böschung bei Recherswil O. Magnin
29.03.2022 Aktion Hase & Co.

Böschungsinventar für den gesamten Kanton Solothurn

In unserer intensiv genutzten Landschaft finden sich nur noch wenige extensiv genutzte Flächen. Böschungen sind oft ein letztes naturnahes Refugium. Sie schaffen Vielfalt in sonst einheitlichen Lebensräumen und haben eine wichtige ökologische Bedeutung.

Mit der „Aktion Hase & Co.“ will Pro Natura artenreiche Lebensräume im Kulturland fördern und schützen. Viele vom Menschen geschaffene artenreiche Lebensräume sind durch Intensivierung der Landwirtschaft, Ausdehnung von Siedlungsraum oder Vernachlässigung gefährdet. Böschungen sind als Begleitlebensraum von Kulturland nicht selten die letzten extensiv genutzten Lebensrauminseln. Da Böschungen für intensive Bewirtschaftung meist unattraktiv sind, stellen sie ideale Flächen dar, die ohne Interessenskonflikte für die „Natur“ erhalten werden können. Die Neigung und Exposition von Böschungen stellen meist ideale Bedingungen für artenreiche magere, trockene oder wechselfeuchte Wiesen dar – ein in tiefen Lagen stark gefährdeter Lebensraum. Natürlich vorhandene Strukturierung der Böschungen durch Gehölze, Steine oder Mauern schafft zusätzliche Kleinstlebensräume für noch mehr Artenreichtum.

Pro Natura Baselland lancierte bereits 2013 das Projekt „Blühende Borde für das Baselbiet“ mit dem Ziel, die Pflege und den Schutz von ökologisch wertvollen Böschungen zu verbessern und zu sichern. Durch die enge Zusammenarbeit von Pro Natura Baselland und Pro Natura Solothurn wurde 2019 das Projekt auf den Kanton Solothurn ausgeweitet. Die Erarbeitung eines Böschungsinventars bildet dabei das Herzstück des Projektes. Hierzu werden charakteristische Arten von Pflanzengemeinschaften von mageren, trockenen oder wechselfeuchten Wiesen dokumentiert.

Im Sommer 2019 wurden rund 200 wertvolle Böschungen vom Ökologen Raphael Weber im Solothurner Jura in den Bezirken Dorneck, Thierstein und Thal dokumentiert. Rund die Hälfte war von hohem oder sehr hohem Naturwert. Über den Nachweis von 15 gefährdeten Rote Liste Arten wurde zudem das Potential von Böschungen als Lebensraum für seltene und gefährdete Arten aufgezeigt. Insgesamt wurden so im Solothurner Jura allein etwa 50 km wertvolle Böschungen auf einer Gesamtfläche von 30 ha beschrieben.

Aufbauend auf den ersten Teil des Böschungsinventars des Kantons Solothurn durfte ich innerhalb eines Praktikums von April bis Juli 2021 das Solothurner Mittelland inventarisieren und insgesamt über 350 weitere ökologisch wertvolle Böschungen in den Bezirken Bucheggberg, Gäu, Gösgen, Lebern, Olten, Solothurn und Wasseramt dokumentieren. Trotz der erhöhten Nutzung und Intensität im Mittelland waren beinahe ein Viertel der Böschungen von hohem Naturwert. Sogar hier, zwischen Landwirtschafts- und Siedlungsraum, wurden sechs Rote Liste Arten auf Böschungen gefunden. Mehr als 85 km Böschungen mit etwa 50 ha Gesamtfläche wurden so im Solothurner Mittelland zusätzlich erfasst. Insgesamt wurden im Kanton Solothurn über 80 ha ökologisch wertvolle Böschungen gefunden, breit verteilt und mit hohem Vernetzungspotential, eine Fläche grösser als alle bisherigen Naturschutzgebiete mit Beteiligung von Pro Natura Solothurn zusammen.

Trotz der erfreulichen Vielfalt und Vielzahl an wertvollen Böschungen im Kanton Solothurn verdeutlicht das Böschungsinventar auch die Gefahren für diese Lebensräume. Weit über die Hälfte der dokumentierten Böschungen sind gefährdet, mitunter meist vernachlässigt. Die bereits im Solothurner Jura beschriebenen Gefahren durch Verbuschung, Verbrachung und Verdrängung durch invasive Arten fanden sich verstärkt auch im Mittelland.

Im Mittelland fiel insbesondere die Vernachlässigung von Bahnböschungen auf. Von insgesamt 34 km Bahnböschung – über 1/3 der gesamthaft aufgenommenen Böschungen im Mittelland – war ein bedeutender Teil verbracht und teils verbuscht. Im Kontrast hierzu zeigen einzelne Böschungen entlang der „Bahn 2000“ Strecke im Bezirk Wasseramt, dass Bahnböschungen eine hohe Artenvielfalt beherbergen können. Hier wird ein riesiges Potential zur weitläufigen Vernetzung verpasst und ausgedehnte Flächen als potentielle Lebensrauminseln in unserer dichten und intensiven Kulturlandschaft im Mittelland vernachlässigt. Ein Umdenken von Seiten der Bahngesellschaften ist dringend nötig.

Nun steht ein gesamthaftes Inventar von wertvollen Böschungen im Landwirtschafts- und Siedlungsgebiet zur Verfügung. Es bildet eine Grundlage, um gegen die Vernachlässigung von Böschungen zu steuern. Landwirte, kommunale und kantonale Unterhaltsdienste sowie Verkehrsbetriebe sind dabei wichtige Partner für die langfristige Sicherung und Aufwertung von Böschungen als wertvolles Landschaftselement.

Olivier Magnin, Praktikant Hase & Co BL/SO, April - Juli 2021 (Text und Fotos)

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